Das Meer in Quadraten – Lieder norditalienischer Reisbäuerinnen

Bis in die 1960er-Jahre sangen die italienischen Bäuerinnen bei der Arbeit im knöcheltiefen Wasser der Reisfelder. Dabei ist eine ganz eigene Gesangsform entstanden, bei der oft zwei Chöre in einen Dialog treten und auf eine einfache, rhythmische Grundmelodie einen Text improvisieren. Auch das Partisanenlied “Bella ciao” ist so entstanden.

Umgeben waren die Frauen von dichten Schwaden aller Arten von Insekten – zumindest oberhalb des Wassers. Darunter machten ihnen Blindschleichen und Schlangen zu schaffen. Im Spielfilm “Bitterer Reis” von Giuseppe De Santis sieht man, wie ein Aufseher, der eine Reisbäuerin belästigt, allein durch den Gesang ihrer Kolleginnen vertrieben wird. Offen hätten sie ihn nicht attackieren können. Szenen wie diese haben sich damals auch in der Realität zugetragen.

Gedreht wurde der neorealistische Film 1949 auf der Reisplantage Cascina Veneria im piemontesischen Lignano bei Vercelli. Mittlerweile herrscht dort gespenstische Ruhe – die Belegschaft ist von früher 1500 Frauen auf ganze zehn Bedienstete geschrumpft und der Eigentümer Ermenegildo Bertoldo kontrolliert die Schleusen der 725 Hektar großen Anbaufläche heute selbst.

Geblieben ist der Mythos jener Atmosphäre des solidarischen Zusammenhalts der Arbeiterinnen, die sich, ähnlich wie der Blues der amerikanischen Baumwollpflücker, in der von ihr selbst geschaffenen Musik überliefert.